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Herausforderung agiler Service Organisationen

Was zeichnet eine agile Organisation aus und wie steinig ist der Weg dahin?

von Sven Matheja & Stephan Huber

Senior Consultants

14. Dezember 2022

Eine agile Organisation zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihre Aktivitäten und Ziele auf die Wertschöpfungen der Unternehmung ausrichten. Im Zentrum steht dabei der Fokus auf die Kundenorientierung und Ausrichtung aller Services auf das Kundenerlebnis.

Klar dies hört sich gut und richtig an. Doch wer schon mal mit der Aufgabe konfrontiert wurde, kann aus Erfahrung bestätigen, dass dies ein steiniger und langer Weg sein kann. Dieser Blog geht auf einige Hürden ein, die wir immer wieder erleben in unseren Projekten.

Was zeichnet eine agile Service Organisation aus?

Eine agile Service Organisation stellt die Unternehmensergebnisse ins Zentrum. Dies erfolgt, indem alle Aktivitäten in der Unternehmung aufeinander abgestimmt sind und entsprechende Fähigkeiten in der Organisation entwickelt werden, die den Fokus auf die Services haben zur Erreichung der Wertschöpfung für die Kunden.

Die agile Organisation besteht aus Teams, die ein hohes Mass an Verantwortung, Kompetenzen sowie Fachwissen vereinen. Diese interdisziplinären Teams bestehen aus den notwendigen Ressourcen, die den Service über den ganzen Lifecycle betreuen. Damit diese agilen Teams effizient arbeiten können, müssen folgende Rahmenbedingungen geschaffen werden:

  • Fokus auf die Services und deren Werteketten mit einer passenden Roadmap
  • Einführung von einheitlichen Governance Strukturen und einem agilen Framework für die Zusammenarbeit
  • Verständliche und flache Strukturen. Die Anzahl der Teams kann variieren und richtet sich nach den Anforderungen
  • Verschiebung der Handlungskompetenzen vom klassischen Management in agile Teams bzw. zu Service Ownern
  • Einführung von agilen Prinzipien wie iterative Vorgehensweise, empirische Servicesteuerung und Etablierung einer Feedback Kultur in der Organisation

Die gesamten organisatorischen Rahmenbedingungen müssen in der Regel neu gestaltet werden, um die Service Organisation erfolgreich zu transformieren. Dies betrifft Vorgaben, Verantwortlichkeiten, Schnittstellen, Technologieanpassungen, Strukturen usw. Die Kernkompetenzen, die für die einzelnen Aktivitäten notwendig sind, lassen sich in den vier Dimensionen Technologie, Prozesse, Kultur und Organisation passend beschreiben.

Vier Dimensionen einer agilen Service Organisation

Was sind die Herausforderungen in der Praxis?

Ein Unternehmen mit einer hierarchischen Linienorganisation in eine agile, vollständig vernetzte Organisation zu verwandeln, klingt in der Theorie sehr gut. Die Praxis zeigt aber, dass die Transformation eine sehr grosse Herausforderung ist, die alle vier Dimensionen betreffen.

Technologie

Der Einsatz von neuen, meist Cloud basierten Lösungen, ist nicht nur die Grundlage der Digitalisierung, sondern fordert und fördert auch die Agilität, um rasch auf ändernde Anforderungen zu reagieren. Wesentlich dabei sind die Schaffung von transparenten Strukturen und die Automatisierung aller repetitiven Aktivitäten. Indirekt wird durch die Cloud Technologie auch eine Standardisierung der Plattform erreicht. Ein Greenfield Ansatz ist jedoch nur selten möglich und es muss in der Realität mit diversen Herausforderungen umgegangen werden:

  • Die Migration einer Legacy Umgebung ist komplex, herausfordernd und aufwendig. Dies nicht zuletzt, aufgrund fehlender Harmonisierung und durch die starre Integration in die Geschäftsumgebung.
  • Vielfach ist das Know-how für die gewachsenen, komplexen Legacy Umgebungen nicht im genügenden Ausmass vorhanden.
  • Der optimale Startpunkt für die Plattformtransformation ist nicht einfach zu finden oder die Priorisierungsvorgaben verlagern den Fokus auf andere Themen.
  • Die Kosten für die Cloud Services sind teils nur schwer planbar.
  • Oft fehlen auch Governance Grundlagen wie Datenklassifizierung, Cloud Strategie, Security Konzepte

Organisation

Eine Organisation definiert sich durch die Art und Weise der Aufgabenerfüllung und Erreichung der Serviceziele. Mittels neu gebildeter Arbeitsgruppen wird eine Verlagerung von eher starren hierarchischen Strukturen zu agilen Teams mit den passenden Kompetenzen angestrebt.

Für Unternehmen, die traditionell eine hierarchische Organisationsstruktur haben, wird die Einführung einer rein agilen Organisation eine grosse Herausforderung. Dies nicht zuletzt, weil meist vom Management sehr ambitionierte Ziele gesetzt werden. Zudem wird die Organisation auch sehr bei der Sicherstellung des klassischen Betriebes und der parallelen Transformation von Bereichen in die neue agile Organisation gefordert. Typische Fragestellungen und Herausforderung bei der Organisationstransformation sind:

  • Was ist die passende Strategie und Governance für die Organisationstransformation?
  • Wie hat die Transformation des Servicekatalogs inkl. den Zulieferleistungen in die agile Weiterentwicklung stattzufinden?
  • Welche Auswirkungen hat die Transformation auf die Aufgabe und die neuen zuständigen Rollen/Teams, ohne den Fokus auf die Wertschöpfung der Services zu verlieren?
  • Es besteht die Tendenz, dass Schlüsselpersonen in zu vielen Teams zugeordnet sind und dadurch ihre Produktivität negativ beeinflusst wird.
  • Bei der Zusammensetzung der Teams wird oft zu wenig bewusst darauf geachtet, geeignete Personen mit den neuen Rollen zu besetzen. Dies wirkt sich oft negativ auf die Effizienz und Effektivität der Teams aus.

Kultur

Unternehmenskultur wird durch die Werte und das Verhalten geprägt. Das Umfeld lässt sich in drei Gruppierungen unterteilen:

  • Das Führungsteam (Management), welches die eigenen Vorgaben vorleben soll (walk the talk)
  • Das einzelne Team, welches genauso stark ist wie das schwächste Glied.
  • Jedes Teammitglied mit den individuellen Präferenzen sowie Stärken und Schwächen

In der agilen Organisationstheorie steht, dass die kulturellen Veränderungen durch alle Organisationsebenen führen. In einer agilen Organisation soll der Manager weniger führen, dafür mehr die Rahmenbedingungen aufzeigen und die Arbeitsgrundlagen vorbereiten, die Teams mehr Verantwortung und ein Teammitglied mehr Kompetenzen erhalten. Da sich der Mensch grundsätzlich Stabilität wünscht, führt dies zu einem potentiellen Widerspruch beim agilen Ansatz.

  • Wie vermittelt man die neuen Werte, damit eine Perspektive und Sicherheit in einem sich schnell ändernden Umfeld entsteht?
  • Wie sind Mitarbeitende zu befähigen im Umgang mit der neuen Verantwortung?
  • Wie finden sich die Mitarbeitenden mit dem neuen offenen Führungsstil zurecht?
  • Entscheidungen müssen im Team getroffen und getragen werden.
  • Der klassische Manager, der über viele Jahre als hierarchischer Entscheidungsträger agierte, muss sich einen neuen Managementstil als Service Enabler aneignen.

Prozesse / Struktur

Die Ausrichtung der notwendigen Prozesse ist auf die Unterstützung der Werteströme ausgerichtet. Dadurch werden unterschiedliche Ausprägungen möglich. Die Prozesse müssen dabei individuell die Werteströme und die agile Arbeitsweise abbilden. Wie viele und welche Prozesse es benötigt in einer Organisation damit diese autark funktioniert, ist nicht einfach so zu beantworten. Die Prozesse und die Prozesslandschaft sollten sich den Teams und deren Methodik anpassen, die sie verwenden. Wichtig ist, dass die Prozesse und Interaktionen in einem adäquaten IT Service Management (ITSM) oder Enterprise Service Management (ESM) Tool zur Steuerung der Prozesstreue abgebildet werden. Weitere Herausforderungen bei der Prozessabbildung sehen wir in folgenden Punkten:

  • Es fehlt ein Servicekatalog und somit bestehen unterschiedliche Ziele oder Erwartungen an die Prozesse.
  • Die Wahrnehmung der Service Maturität ist in den Teams unterschiedlich.
  • Es fehlen Grundlagen wie Vorgaben, Verbindungen, Abhängigkeiten und Schnittstellen zwischen den verbleibenden hierarchischen Organisationseinheiten und den neuen agilen Teams.
  • Die Umstellung der Prozesse ist aufgrund von verschiedenen Abhängigkeiten und dem Bedarf an paralleler Nutzung in der alten und neuen Wertschöpfung sehr komplex.

Fazit

Die Transformation einer ganzen Unternehmensorganisation benötigt Zeit und die notwendige Geduld. Eine Blaupause für die rasche Umsetzung gibt es nicht. Die Veränderung hin zu einer agilen Organisation sollte primär durch Optimierungen und Anpassungen der Wertschöpfungsketten und somit des Service Portfolios geprägt sein. Die passende und notwendige Agilität der Service Organisation basiert vorwiegend auf der flexiblen Zusammensetzung der benötigten Teams und deren Aktivitäten. Mitarbeitende sind ein sehr wichtiger Teil der Organisation und sollten entsprechend früh in die Organisationstransformation eingebunden werden. Eine neue Organisation sollte in kleinen Schritten eingeführt werden mit Einbezug der Prozesse, Strukturen und Technologien. Klassische Organisationen und Firmenkulturen sich nur über einen längeren Zeitraum veränderbar. Für rasche Erfolge kann ein hybrider Organisationsansatz helfen. Damit sind bestehende und bewährte Service Modelle mit neuen agilen Ansätzen in der Organisation vereinbar. Mit einer solchen Hybridorganisation kann die Transformation vereinfacht und bedarfsgerecht umgesetzt werden.

Muss sich nun jede Organisation agil aufstellen?

Wir sehen dies ähnlich wie bei anderen Markttendenzen z.B. bei der Cloud. Irgendwann gibt es keinen Weg mehr daran vorbei, weil sich die Welt in diese Richtung entwickelt und genügend viele Vorteile daraus entstehen. Die Entscheidung welche Ausprägung eine agile Service Organisation haben soll und in welchem Zeitraum eine solche eingeführt werden soll, muss jedes Unternehmen für sich selbst treffen.


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