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No Bid

Keine Angebote auf die Ausschreibung

von Rüdiger Vietze

Senior Consultant

22. Februar 2023

Keine Offerten auf die Ausschreibung im privatrechtlichen (RfP) oder öffentlich-rechtlichen Umfeld (Submission) eingegangen? Das ist nicht nur enttäuschend, sondern bedeutet in der Regel verlorene Zeit und zusätzliche Kosten. Im Extremfall kann es sogar ein kritisches Projekt komplett durcheinander bringen.

Fallbeispiel

Die HiTect ist ein Bauzulieferer mit etwa 80 Mitarbeitenden an zwei Schweizer Standorten und möchte ihren IT-Betrieb komplett outsourcen. Entsprechende RfP-Unterlagen wurden sorgfältig und ausführlich erstellt und auf „marktfähigkeit“ geprüft. Trotzdem sind keine Offerten eingegangen. Der CEO ist überrascht und fragt sich „was haben wir nur falsch gemacht?“.

Woran liegt es?

Die Gründe für das „No Bid“ müssen jeweils im Einzelfall analysiert werden. Typischerweise werden jedoch ein oder mehrere der folgenden Aspekte bei der Durchführung eines RfP- resp. Submissionsverfahrens übersehen:

  • Der Markt für IT-Services wird derzeit tendenziell durch die Anbieter bestimmt: Diese müssen keine Aufträge mit zu grossen Kompromissen annehmen – im Gegenteil: Anbieter haben ein Gefühl für „attraktive“ Ausschreibungen, nämlich solche welche idealerweise langfristige Aufträge, Prestige und Einsatzmöglichkeiten für ihre Kernkompetenzen bieten.
  • Die Erstellung einer Offerte kostet Anbieterfirmen sehr viel Zeit und Ressourcen, etwa durch Studium der Unterlagen, Erstellen der Offerte und interne Prüfungsprozesse. Dem gegenüber steht häufig die Ungewissheit, ob sich dies alles lohnt – denn es gibt in der Regel nur einen Gewinner, welcher den Zuschlag erhält.
  • Ähnlich ist es, wenn Anbieter das vergebene Auftragsvolumen nicht oder nur schwer abschätzen können, etwa wenn keine oder nur geringe verbindliche Mindestumsätze oder nur Referenzmengen ausgeschrieben wurden. Der Aufwand für eine Offerte muss sich lohnen, zumindest müssen die Chancen stimmen.
  • Der Beschaffungsgegenstand ist (möglicherweise unnötig) starr beschrieben und engt die Anbieter bei der Wahl ihrer Lösungsmethoden ein, sodass diese ihre Kernkompetenzen und präferierten Lösungen nicht optimal anbieten können. Im schlimmsten Fall wird der Beschaffungsgegenstand in einer sehr detaillierten Form vorgegeben, welche nicht mehr zeitgemäss ist oder am Markt vorbei geht.

Was kann man tun beim RfP?

Glücklicherweise ist es im privatrechtlichen Umfeld möglich, diese Ursachen zumindest teilweise zu eliminieren und damit das Risiko eines „No Bid“ deutlich zu reduzieren. Einige Massnahmen sind im Folgenden aufgeführt:

  • RfP-Unterlagen überschaubar und lesbar gestalten: Die Zeit bis zum Grundsatzentscheid („anbieten oder nicht?“) muss kurz sein, Angebote sollten keine Bundesordner füllen.
  • Auf das „was“ statt auf das „wie“ konzentrieren: Aus den RfP-Unterlagen muss der Bedarf hervorgehen. Für die Lösungswahl sollte den Anbietern möglichst viel Freiraum und Flexibilität bei Umsetzungsvarianten gegeben werden. Hier ist eine Balance gefordert zwischen Flexibilität und gleichzeitiger Vergleichbarkeit der Angebote.
  • Frühzeitig informieren und Feedback einholen durch ein RfI: Kommunizieren Sie die wichtigsten Informationen und stellen Sie Schlüsselfragen an den Markt. Damit können Sie sich einige Überraschungen ersparen.
  • Transparenz schaffen: Kommunizieren Sie das Auswahlverfahren (siehe Grafik unter diesem Abschnitt) und stellen Sie klar, dass Ihnen drei passende Offerten lieber sind als zehn beliebige Angebote. Je kleiner der Kreis von Mitbewerbern, umso höher ist die wahrgenommene Chance des einzelnen Anbieters.
  • Einbezug der möglichen Anbieter: Nutzen Sie die Q&A, um Verbesserungsmöglichkeiten und andere Ideen einfliessen zu lassen. Ermuntern Sie die Anbieter, Vorschläge einzubringen.
  • Mut zur „Agilität“: Wenn die Ergebnisse (z.B. Anzahl der noch „im Rennen“ befindenden Anbieter) anders sind als erwartet, ist auch eine Planänderung legitim. Investieren Sie Zeit und Ressourcen, im unten dargestellten „Auswahltrichter“ einen oder mehrere Schritte zu wiederholen.
Massnahmen um ein No Bid Risiko bei einem RfP zu minimieren

Was kann man tun bei einer Submission?

Bei Beschaffungsvorhaben nach öffentlichem Recht sind zusätzliche Regeln und Einschränkungen zu beachten.

  • Submissionen haben eine höhere Verbindlichkeit. Änderungen von Inhalten und Abläufen sind nur beschränkt möglich. Einiges ist über „Berichtigungen“ in simap möglich.
  • Vergleichbarkeit der Angebote: Hier geht es nicht nur um Fairness und Korrektheit, sondern die Bewertungen müssen nachvollziehbar dokumentiert und robust gegenüber Beschwerden sein.
  • Ungewissheit, wer alles anbieten wird: Die Auswahl der Anbieter trifft nicht die Beschaffungsstelle, sondern der Markt. Dies erfordert besondere Voraussicht und ein gutes Marktverständnis.
  • Die eingeschränkte Kommunikation zwischen Beschaffungsstelle und Anbietern erschwert informellen Austausch allgemein, und Abklärungen nach Deadline der Anbieterfragen im Besonderen. Bei komplexen Beschaffungsgegenständen kann allenfalls ein Dialogverfahren durchgeführt werden. Grundsätzlich gibt es zwei Wege, damit umzugehen: Möglichst viele Fragen antizipieren und detailliert spezifizieren – oder viel Freiräume geben. Übrigens ist ein RfI auch für öffentliche Beschaffungen möglich – via simap „Vorankündigung“.
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…und wenn es schon passiert ist – d.h. wenn kein Angebot eingegangen ist?

Wenn nach Ablauf der Angebotsfrist keine Offerte eingegangen ist, gibt es mehrere Möglichkeiten.

  • In jedem Fall sollten die Gründe für die jeweilige Absage ermittelt werden. Anbieter werden ein Eigeninteresse haben, diese zu offenbaren. Denn jedes Feedback von ihrer Seite kann in ein überarbeitetes RfP einfliessen, welches dann möglicherweise attraktiv genug ist für ein Angebot.
  • Es sollte eine interne „Lessons learned“ Veranstaltung durchgeführt werden und die RfP-Unterlagen entsprechend angepasst werden – sowohl hinsichtlich Anforderungen als auch methodisch und vom Umfang. Mit diesen überarbeiteten Unterlagen, in welchen die Anbieter ihren eigenen Input wiedererkennen, kann dann eine zweite Ausschreibungsrunde durchgeführt werden, allenfalls mit zusätzlichen Anbietern.

Bei Beschaffungen nach Submissionsrecht ist die Flexibilität geringer, aber auch hier bestehen Möglichkeiten:

  • Am wenigsten angreifbar ist es sicherlich, im „no bid“ Fall das Verfahren abzubrechen. Ausserdem bietet dies die meisten Möglichkeiten für das weitere Vorgehen und es besteht kein Zeitdruck (zumindest nicht durch das Submissionsverfahren).
  • Es empfiehlt sich auch hier eine „Lessons learned“, wie oben beschrieben .
  • Danach bestehen die grundsätzlichen Varianten neu ausschreiben, freihändig vergeben oder aufbauend auf der ursprünglichen Submission erneut ausschreiben.

Epilog

Und was hat der CEO unserer Firma HiTect getan? Er hat mit seinem Evaluationsteam ausgewählte Firmen kontaktiert und auf Basis von deren Input die RfP-Unterlagen überarbeitet. Am Ende hat er drei interessante Offerten erhalten und aus diesen einen sehr gut zum Unternehmen passenden Anbieter ausgewählt. Für zukünftige RfPs hat er nun eine Checkliste und ist überzeugt dass er auch in Zukunft gute Offerten bekommen wird.


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