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Nachhaltigkeit in der Beschaffung von Cloud Services

Sie wollen nachhaltige IT-Services ausschreiben, sind aber nicht sicher wie das geht? Das neue Beschaffungsrecht macht zwar klare Vorgaben, zeigt aber nicht den Weg auf.

von Rüdiger Vietze

Senior Consultant

26. März 2024

Als Consultant mit langjähriger Erfahrung in öffentlichen Beschaffungsprozessen und einem starken Engagement für Nachhaltigkeit habe ich im Rahmen des CAS ‚Öffentliche Beschaffung‘ eine Abschlussarbeit über die Beschaffung nachhaltiger Cloud-Dienstleistungen verfasst. Ziel der Arbeit war, einen Blueprint zu entwickeln, der transparente Methoden und anpassbare Kriterien für die Beschaffung nachhaltiger Cloud-Dienstleistungen bietet. In diesem Blogbeitrag teile ich gerne diese Erkenntnisse mit einer breiteren Leserschaft, insbesondere Beschaffungsverantwortliche, um Bewusstsein und Kompetenz für nachhaltige Beschaffung zu stärken.

Warum nachhaltige Cloud-Dienstleistungen?

Die Frage, warum die Beschaffung nachhaltiger Cloud-Dienstleistungen von zunehmendem Interesse ist, ist an folgenden drei Faktoren leicht zu erkennen: Zum einen verzeichnet der globale aggregierte Energie- und sonstige Ressourcenverbrauch von Rechenzentren einen stetigen Anstieg. Gleichzeitig wächst das absolute Volumen und der Marktanteil von cloudbasierten Services kontinuierlich. Darüber hinaus steigt das Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen, und an nachhaltiger Beschaffung im Besonderen, wie etwa die sehr prominente Stellung in revidierten öffentlichen Beschaffungsgesetzen (BöB/IVöB) zeigt: Dort wird die Nachhaltigkeit als erster Aufzählungspunkt im Art. 2 «Zweck» genannt. Im Mittelpunkt all dieser Trends steht somit die Beschaffung nachhaltiger Cloud-Leistungen.

Was ist Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit ist ein ganzheitliches Konzept, das darauf abzielt, die Bedürfnisse der aktuellen Generation zu erfüllen, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden und umfasst ökologische, ökonomische und soziale Dimensionen, wie wir in unserem Blog Ist eine nachhaltige IT-Beschaffung immer teurer? beschrieben haben.

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Ist eine nachhaltige IT-Beschaffung immer teurer?

von Rüdiger Vietzem & Christian Klein

Was ist in den Blueprint eingeflossen?

In die Erstellung des Blueprints für meine CAS Arbeit sind verschiedene Standards, Vorgaben und Erkenntnisse eingeflossen, beispielsweise die Relevanzmatrix des BAFU[1], Ressourcen- und Umweltstandards der Bundeskanzlei[2], sowie soziale Richtlinien des SECO[3]. Zudem wurden Suchergebnisse verschiedener Ausschreibungs-Plattformen, Ergebnisse einer breiteren Webrecherche und nicht zuletzt Erfahrungen aus eigenen Beschaffungsvorhaben berücksichtigt.

Worin besteht die Methode?

Im Einzelfall einer Cloud-Service-Beschaffung folgen wir einem strukturierten Prozess aus verschiedenen Phasen. Zunächst erfolgt eine gründliche Bedarfsanalyse, in der die Anforderungen und Ziele der Beschaffungsstelle identifiziert werden. Anschliessend folgt die Analyse, welcher Cloud-Provider-Typ und welche Dienste eigentlich benötigt werden (von der einzelnen SaaS-basierten Applikation bis zum Hyperscaler), nicht zuletzt werden auch rechtliche und sicherheitsrelevante Aspekte berücksichtigt. Eine Marktstudie darf auch in diesem Beschaffungskontext nicht fehlen. Basierend auf diesen Analysen werden Kriterien entwickelt und ausgearbeitet, validiert und feinjustiert. Dieser strukturierte Ansatz ist integraler Bestandteil der atrete- Beschaffungsmethodik, welche kontinuierlich gepflegt und angewendet wird.

Begleitend zu den oben beschriebenen Analysen sollten weitere Fragen beantwortet werden: Passen die Kriterien zum Beschaffungsgegenstand und Typ des Cloud-Providers, sind die drei Nachhaltigkeitsaspekte (sozial, ökonomisch und ökologisch) berücksichtigt, und ist die Kriterienzahl handhabbar und überschaubar? Sind die Kriterien nachprüfbar? Auch empfehlen wir, die jeweiligen Kriterientypen (Muss, Soll) und die Gewichtung kritisch zu hinterfragen, sowie geeignete Nachweisarten wie Selbstdeklarationen, Zertifikate oder Erläuterungen auszuwählen.

Diesen Prozess können wir durch die erarbeiteten Ergebnisse vereinfachen, da wir zwei Kriteriensätze als „Grundausstattung“ für eine einfache und schnelle Handhabung erarbeitet haben: Die Basis-Kriterien, welche grundsätzlich bei jeder Submission eines Cloud Providers anwendbar sind und nur minimale Anpassungen erfordern, sowie der erweiterte Kriteriensatz, welcher zusätzliche Kriterien enthält, die den spezifischen Merkmalen des Beschaffungsvorhabens gerecht werden.

Beispielkriterien

Im Folgenden zeigen wir vier Beispiele aus unserem Kriteriensatz von etwa 25 Nachhaltigkeitskriterien für Cloud Services.

ThemaBezeichnungKurzbeschreibung
UmweltUmweltmanagementsystem
gemäss ISO 14001
Der ausgeschriebene Cloud Provider hat ein Umweltmanagementsystem gemäss ISO 14001 implementiert.
 
Der ausgeschriebene Cloud Provider kann eine entsprechende Zertifizierung nachweisen.
     alternativ:
Der ausgeschriebene Cloud Provider kann zumindest nachweisen, dass er entsprechende Prozesse dokumentiert hat und diese auch tatsächlich operativ umsetzt.
UmweltNachhaltigkeits-ToolsDer ausgeschriebene Cloud Provider stellt Nachhaltigkeitstools bereit und unterstützt den Auftraggeber mit Daten, Instrumenten und technischem Know-how, um Nachhaltigkeit voranzutreiben. Dies können beispielsweise Tools zur Bestimmung des CO2-Fussabdrucks des Kunden in der Cloud oder Austauschplattformen für Nachhaltigkeitsdaten sein.
 
Bewertet werden das Vorhandensein, Anzahl und inhaltlicher Umfang, sowie die Qualität und Aussagekraft der Dokumentation derartiger Tools.
UmweltReferenzprojekte mit KundenDer ausgeschriebene Cloud Provider unterstützt oder beteiligt sich an Nachhaltigkeitsprojekten mit Vorbildcharakter. Diese können gemeinsam mit, im Auftrag von oder bei Kunden durchgeführt worden sein, beispielsweise Projekte zur Energieeffizienz oder Zusammenarbeit mit Projekten zu erneuerbaren Energien.
 
Bewertet werden das Vorhandensein von Referenzprojekten, deren Anzahl und inhaltlicher Umfang, sowie die Qualität und Aussagekraft von deren Dokumentation.
Umwelt und/oder SozialesSupply Chain ManagementDer ausgeschriebene Cloud Provider hat ein etabliertes Supply Chain Management, welches die Einhaltung ökologischer und sozialer Standards auch bei seinen Lieferanten einfordert.
 
Der ausgeschriebene Cloud Provider kann eine entsprechende Zertifizierung oder den Bericht eines unabhängigen Auditors nachweisen, woraus hervorgeht, dass er die Einhaltung ökologischer und sozialer Standards auch bei seinen Lieferanten fordert.
      alternativ:
Der ausgeschriebene Cloud Provider kann zumindest die Existenz entsprechender dokumentierter interner Prozesse sowie nachweislich daraus entstandene Resultate nachweisen.

Wir werden diesen Blog in einem zweiten Teil fortsetzen. Der Schwerpunkt des zweiten Teils wird darauf liegen, weitere Beispiele zu erläutern, wobei wir dort auch genauer auf den Kriterientyp, die empfohlene Anzahl von Kriterien und die Abdeckung der drei Nachhaltigkeitsdimensionen eingehen werden.

Welche Erfahrungen haben Sie in Bezug auf die Beschaffung nachhaltiger Cloud-Dienstleistungen gemacht?
Über Feedback und einen regen Austausch freuen wir uns.


Unsere langjährige Beratungserfahrung in der öffentlichen und privaten Beschaffung setzen wir gewinnbringend für Ihre individuellen Sourcing-Vorhaben ein. Mit unserer Unterstützung können am Ende neben Umwelt und Gesellschaft auch Ihr Image und Ihr Budget profitieren.


[1] https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wirtschaft-konsum/fachinformationen/oekologische-oeffentliche-beschaffung/relevanzmatrix.html

[2] https://www.bk.admin.ch/bk/de/home/digitale-transformation-ikt-lenkung/ikt-vorgaben/prozesse-methoden/p025_ressourcen_und_umweltstandard_fuer_die_beschaffung_der_ikt-infrastruktur.html

[3] https://www.bkb.admin.ch/dam/bkb/de/dokumente/Oeffentliches_Beschaffungswesen/Nachhaltige_Beschaffung/Empfehlung_Nachhaltige%20Beschaffung_BKB_de_Neu.pdf.download.pdf/Empfehlung_Nachhaltige%20Beschaffung_BKB_de_Neu.pdf